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Ein modernes Märchen
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Stand 1. Juni 2011
© Jochem Knörzer |
Die kranke
alte Dame oder ‚Vom Paulus zum Saulus‘
Ein modernes Märchen
Kapitel I
Der freundliche Karsten und die kranke
alte Dame
Es
war einmal ein Handwerksmeister in einem gar nicht so fernen
Land vor gar nicht so langer Zeit, der einen Anruf von einem
Mann erhielt, den er schon seit einiger Zeit kannte. Dieser
Mann verdiente seine Brötchen damit, jungen und alten Menschen,
die sich nicht mehr alleine im Leben zurechtfinden, zu helfen.
Karsten, so hieß der freundliche Helfer, war von dem netten
Richter Lars zu einer kranken alten Dame geschickt worden, die
nach einem Schlaganfall im Krankenhaus lag. Die alte Dame
war ganz allein auf der Welt, ihr Mann war schon vor geraumer
Zeit gestorben und sie waren kinderlos geblieben. Und so
lebte die alte Dame, bis sie ins Krankenhaus musste, ganz
allein in einem großen Haus. Dorthin wollte sie auch wieder
zurückkehren. Weil sie durch ihre Krankheit nicht selber
schreiben konnte, half ihr eine Frau, die sich selber als
Freundin der alten Dame bezeichnete, bei der schriftlichen
Formulierung ihrer Willenserklärung. Unterschrieben hat die
alte Dame dann selber. Der freundliche Karsten unterhielt
sich mit der alten Dame und, obwohl sie durch ihre Krankheit
nur sehr schlecht sprechen konnte und um jedes Wort kämpfen
musste, konnte er verstehen, dass die alte Dame in ihr Zuhause
zurück und nicht in ein Seniorenheim wollte.
Der
freundliche Karsten fuhr zu dem großen Haus der alten Dame, um
zu schauen, ob es auch für ein Leben mit Rollator und Rollstuhl
geeignet war, denn durch die Krankheit konnte die alte Dame
nicht mehr richtig laufen. Nachdem er das Haus betreten
hatte, war der freundliche Karsten über den Anblick im Haus
entsetzt und bestürzt. Es war ganz schön schmutzig in den
Zimmern und aus der Küche kam ein beißender Geruch. Auch das
Badezimmer war so schmutzig, dass der freundliche Karsten es
sich nur sehr schwer vorstellen konnte, dass sich dort vor ein
paar Wochen noch die kranke alte Dame gewaschen haben sollte.
Der freundliche Karsten rief den hilfsbereiten Michael ins
Haus, der das Haus wieder herrichten sollte. Der Michael räumte
auf. Alles was kaputt und richtig schmutzig war, musste in den
Müll. Um auch das Badezimmer wieder benutzbar zu machen,
musste sich der Michael an einen Fachmann wenden. So sprach er
eine Firma an, mit der er schon zusammen gearbeitet hatte.
Die Tage zogen ins Land, doch im Badezimmer geschah nichts.
Das bemerkte auch der freundliche Karsten, der dadurch
zeitliche Probleme auf sich zukommen sah. Denn er hatte der
kranken alten Dame ja versprochen, dass sie nach dem
Krankenhausaufenthalt wieder in ihr Haus zurück konnte. Da
fiel ihm ein, dass er einen Handwerksmeister kennengelernt
hatte, der sich mit Badezimmern auskannte. Und so rief er
bei dem Handwerksmeister an und fragte um Rat.
Kapitel II
Der freundliche Karsten und der
vielseitige Handwerksmeister
Der Handwerksmeister traf sich mit
dem freundlichen Karsten vor dem Haus der kranken alten Dame
und hörte sich seine Schilderung an.
In dem Haus wuselten schon einige Mitarbeiterinnen des
hilfsbereiten Michael, im Badezimmer hatte sich aber noch
nichts getan. Der Handwerksmeister schnappte sich einen
Zollstock und nahm die Maße des Badezimmers auf. Dabei stellte
er fest, dass der Zugang für das Schlafzimmer durch das
Badezimmer erfolgte.
„Und da soll die kranke alte Dame mit einem Rollstuhl
durchfahren können?“, dachte sich der Handwerksmeister. Auf der
anderen Seite war die Küche, die ähnlich schmal war. Auch diese
Maße notierte sich der Handwerksmeister. Zusätzlich
fotografierte er das Badezimmer.
Er schaute sich noch einmal im Haus um, verabschiedete sich
von dem freundlichen Karsten und fuhr zurück in seine Firma.
Dort zog er sich in sein Büro zurück, brachte die Maße zu
Papier und fertigte Grundrisszeichnungen an.
Er informierte sich über ‚rollstuhl-gerechte‘ Badezimmer,
nahm die Normen und Vorschriften zur Hilfe und überlegte. Aber
egal wie er es drehte und wendete, das Badezimmer war zu klein.
Wenn er aber den ebenfalls schmalen Küchenraum, der links an
das zu schmale Badezimmer grenzte, dazu nahm und daraus einen
großen Raum machen würde, ja dann könnte man für die kranke
alte Dame ein schönes rollstuhlgerechtes Badezimmer bauen.
Diesen Gedanken brachte er als Grundrisszeichnung zu Papier,
zeichnete auch eine befahrbare Dusche ein und vergrößerte die
Türen, die ins Badezimmer, vom Badezimmer ins Schlafzimmer
führten, damit die kranke alte Dame auch mit einem Rollstuhl
die Räume erreichen und nutzen könnte.
‚Bewaffnet‘ mit seinen Zeichnungen, Vorschriften und
Beispiel-Bädern fuhr der fleißige Handwerksmeister zu dem
freundlichen Karsten.
Der freundliche Karsten nahm sich viel Zeit und ließ sich
alles erklären.
Ihm fiel auf, dass das Haus dann ja keine Küche mehr hätte.
Aber auch daran hatte der Handwerksmeister gedacht. Da die
kranke alte Dame sich nicht mehr selber versorgen konnte,
konnte die Küche auch in die obere Etage des Hauses verlegt
werden.
Das gefiel dem freundlichen Karsten und er beauftragte den
Handwerksmeister, kurzfristig für alle notwendigen Gewerke
Leistungsverzeichnisse zu erstellen und Kostenangebote
einzureichen.
Da der Handwerksmeister gute und fleißige Gesellen in seiner
Firma hat und seit geraumer Zeit schon ‚Badsanierung aus Einer
Hand‘ ausführte, konnte er alle notwendigen Arbeiten selber
anbieten.
Das gefiel dem freundlichen Karsten, weil er damit für diesen
Bereich nur einen Ansprechpartner hatte.
Und dann war da auch noch der hilfsbereite Michael und ein
Elektriker, die, wenn es denn terminlich notwendig würde,
mithelfen könnten.
Weil sich der freundliche Karsten mit den Preisen nicht
auskannte und es sich nicht um sein Geld, sondern um das Geld
der kranken alten Dame handelte, wollte er noch ein
Kostenangebot von einer anderen Firma als Vergleich haben.
Das war gar nicht so einfach.
Die Handwerker, die er ansprach, konnten zwar die
Wasserleitungen legen und Waschtische montieren, mussten für
die anderen Arbeiten aber auf andere Handwerker wie Maurer und
Fliesenleger zurückgreifen.
Als die anderen Angebote endlich da waren, stellte der
freundliche Karsten fest, dass der Handwerksmeister, der für
seine ganze Vorarbeit keine Rechnung gestellt hatte, auch
preislich ‚eine gute Wahl‘ war.
Und so erteilte der freundliche Karsten im Namen der kranken
alten Dame dem vielseitigen Handwerksmeister den Auftrag, das
Badezimmer rollstuhlgerecht umzubauen.
Kapitel III
Ein ‚moralisches Angebot‘
Der vielseitige Handwerksmeister und seine Gesellen gingen
schnell und frohgemut ans Werk.
Aus einem alten Badezimmer und einer alten Küche wurde ein
großes, rollstuhl-gerechtes Badezimmer für die kranke alte
Dame. Hell und mit großen Türen.
Ein Zimmer in der oberen Etage wurde zur Küche umgebaut.
Der freundliche Karsten war mit den Arbeiten und dem
Fortschritt der Arbeiten zufrieden und wandte sich erneut an
den vielseitigen Handwerksmeister.
Um die kranke alte Dame nach Hause holen zu können, musste er
für eine ‚Rund-um-die-Uhr-Betreuung‘ sorgen.
Für die Nacht hatte sich eine Dame bereit erklärt, die nach
eigenen Angaben eine enge Bekannte der kranken alten Dame war.
Für den Tag hatte der freundliche Karsten bereits Betriebe
angesprochen und auch Preise vorliegen, allerdings kamen ihm
diese Kosten sehr hoch vor.
Und so sprach der freundliche Karsten den vielseitigen
Handwerksmeister an und fragte, ob er andere Betriebe und
hilfsbereite Kräfte kennen würde.
Der vielseitige Handwerksmeister versprach, sich darüber
Gedanken zu machen, und besprach die Sache mit seiner Frau.
Paula, die fleißige Frau des Handwerksmeisters, kannte ein
paar fleißige und vertrauenswürdige Frauen, mit denen sie
bereits in ihrem eigenen kleinen Gewerbe, ‚Reinigen nach
Hausfrauenart‘, zusammen gearbeitet hatte.
Von denen wusste sie auch, dass sie bereits im familiären
Bereich Pflegedienste geleistet hatten.
Sie würde diesen Frauen und der kranken alten Dame gerne
helfen, scheute sich aber davor, im Pflegebereich tätig zu
werden.
Dem vielseitigen Handwerksmeister aber gefiel der Gedanke und
er führte mehrere Gespräche mit dem freundlichen Karsten über
die Aufgaben, die dieser von den hilfsbereiten Frauen erwartete
und auch mit seinem Schwager, ob er diese Aufgaben auch
wahrnehmen dürfte.
Der freundliche Karsten brauchte für die kranke alte Dame
Frauen, die ihr Gesellschaft leisten, für sie kochen, mit ihr
Kaffee trinken, das Haus reinigen, die Wäsche waschen sollten.
Kurzum, alles erledigen was in einem Haushalt so anfällt und
außerdem die kranke alte Dame unterhalten.
Der Schwager des Handwerksmeisters, der sich in Sachen Recht
und Steuern auskennt, sah kein Hindernis für den
Handwerksmeister, in dieser häuslichen Dienstleistung tätig zu
werden.
Das überzeugte auch die fleißige Paula, die dann Gespräche
mit den hilfsbereiten jungen Frauen führte, der vielseitige
Handwerksmeister setzte sich in sein Kämmerlein und brütete
über den möglichen Kosten für die kranke alte Dame.
Sicher kannte er sich in der Kalkulation im Handwerk aus,
wusste aber auch, dass das im Pflege- und hauswirtschaftlichen
Bereich anders aussah. Er musste auch berücksichtigen, dass die
Aufgabe bei der kranken alten Dame für die jungen Frauen eine
absolute Vollzeitarbeit bedeuten würde. Und er steht auf dem
Standpunkt, dass man für seine Arbeitsleistung auch
entsprechend entlohnt werden muss, sprich davon zumindest
seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.
Dann halten auch noch die Krankenkasse, die Rentenkasse, das
Arbeitsamt, die Berufsgenossenschaft, das Finanzamt und viele
andere die Hände auf.
Als der Handwerksmeister sein Kämmerlein verließ, sprach er
sein Angebot mit seiner Frau und den hilfsbereiten jungen
Frauen durch. Als alle damit einverstanden waren, schickte er
das Angebot zum freundlichen Karsten.
Nachdem der freundliche Karsten die ihm vorliegenden Angebote
miteinander verglichen hatte, rief er überrascht bei dem
vielseitigen Handwerksmeister an und beauftragte ihn, sich um
die kranke alte Dame zu kümmern. Überrascht war er, weil die
anderen Angebote aus dem hauswirtschaftlichen Bereich viel,
viel höher waren.
Und so kümmerte sich Paula, die fleißige Frau des
vielseitigen Handwerksmeisters, mit ihren beiden hilfsbereiten
jungen Frauen um die kranke alte Dame.
Kapitel IV - Folgt --
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